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Ungewöhnliche Supraleitung mit zwei Phasen

Neuer Schwerer Fermion-Supraleiter zeigt überraschende Eigenschaften

2021-08-29 – Nachrichten aus dem Physik-Department

Materialien mit mehreren supraleitenden Phasen sind bislang selten beobachtet worden. Nun berichten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemische Physik fester Stoffe und der Technischen Universität München von der Entdeckung einer zweiphasigen unkonventionellen Supraleitung in dem Schwere Fermion-Supraleiter CeRh\(_2\)As\(_2\). Ihre Beobachtungen wurden in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Javier Landaeta, Seunghyun Khim, Elena Hassinger
Einige der Autoren der Studie im Labor (v.l.n.r.): Javier Landaeta, Seunghyun Khim, Elena Hassinger. – Photo: J. Landaeta / MPI Dresden

Symmetrie und Symmetriebrechung sind Schlüssel zu vielen interessanten Phänomenen in der Physik der kondensierten Materie. Herkömmliche, also durch Phonon-Elektron-Kopplung hervorgerufene Supraleitung erfordert zum Beispiel sowohl Zeitumkehr als auch Inversionssymmetrie, und die Entfernung einer davon - wie die Zeitumkehr durch ein Magnetfeld - führt zur Unterdrückung der supraleitenden Ordnung.

Seit 2004 sind nicht-zentrosymmetrische Supraleiter interessant geworden, wobei die fehlende Inversionssymmetrie zu einer Vermischung von Spin-Singulett- und Spin-Triplett-Cooper-Paaren in der supraleitenden Phase führt. Tatsächlich sind diese Supraleiter aufgrund der starken Spin-Bahn-Kopplungseffekte, die aufgrund der gebrochenen Inversionssymmetrie entstehen, sehr robust gegen das Anlegen eines Magnetfelds.

Phasenübergang bei 4 T

Nun berichten Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe, der Technischen Universität München sowie internationalen Forschungseinrichtungen von der Messung einer zweiphasigen unkonventionellen Supraleitung in CeRh\(_2\)As\(_2\), einem neuen Schwere Fermion-Supraleiter. Die Forscher konnten im supraleitenden Zustand einen internen Phasenübergang bei etwa 4 T messen, wenn das Magnetfeld in Richtung kristallographischer c-Achse angelegt wird. Ein solcher Phasenübergänge bei Umgebungsdruck ist bislang extrem selten beobachtet worden und nur von UPt\(_3\) bekannt. Dieser exotische Supraleiter zeigt drei supraleitende Phasen bei verschiedenen Temperaturen und Magnetfeldern, deren Herkunft aber unklar ist.

„Wir vermuten, dass unsere Beobachtungen in CeRh\(_2\)As\(_2\) auf eine andere Physik zurückzuführen sind als in UPt\(_3\)“, sagt Elena Hassinger, Professorin für experimentelle Festkörperphysik an der TUM und Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden. „Die wichtigsten supraleitenden Eigenschaften von CeRh\(_2\)As\(_2\) sind wahrscheinlich eine Manifestation der lokalen Inversionssymmetriebrechung und der daraus resultierenden Rashba-Spin-Bahn-Kopplung in einer insgesamt inversionssymmetrischen Kristallstruktur.“

Lokale Symmetriebrechung als Ursache vermutet

Obwohl CeRh\(_2\)As\(_2\) zentrosymmetrisch mit Inversionssymmetrie ist, weist das Material lokal eine Nicht-Zentrosymmetrie mit einer Inversionssymmetrie auf, welche zwei nicht zentrosymmetrische Ce-Würfelgitter verbindet, jede mit einer Rashba-Wechselwirkung. „Man könnte sich das wie ein Doppelschichtsystem vorstellen, bei dem es zu einem Zusammenspiel zwischen der Rashba-Wechselwirkung innerhalb einer Schicht und einem Hopping zwischen den Schichten kommt. Im Niederfeldzustand hat die Supraleitung gerade Parität, das Vorzeichen der Wellenfunktion ist also in diesen beiden Ce-Schichten gleich, während der Hochfeldzustand ungerade Parität mit wechselndem Vorzeichen in den Ce-Schichten hat.“

Auch die ungewöhnliche Richtungsabhängigkeit des kritischen Magnetfeldes in CeRh\(_2\)As\(_2\) passt für die Forscher in dieses Bild. In Richtung der kristallographischen c-Achse zeigt das Material bei einer Übergangstemperatur von nur 0,26 K ein extrem hohes kritisches Feld (14 T), weit größer als in der Grundebene (1,9 T).

„Unsere Beobachtungen, die wahrscheinlich aus der lokalen Umgebung von Ce resultieren, legen nahe, dass CeRh\(_2\)As\(_2\) zukünftig ein Referenzmaterial sein wird, um den Einfluss der Spin-Bahn-Kopplung auf elektronische Mechanismen für unkonventionelle Supraleiter zu untersuchen“, sagt Elena Hassinger.

Redaktion
Petra Riedel

Veröffentlichung

Field-induced transition within the superconducting state of CeRh\(_2\)As\(_2\)
S. Khim, J. F. Landaeta, J. Banda, N. Bannor, M. Brando, P. M. R. Brydon, D. Hafner, R. Küchler, R. Cardoso-Gil, U. Stockert, A. P. Mackenzie, D. F. Agterberg, C. Geibel, E. Hassinger

Weitere Informationen

An der Studie waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler folgender Institutionen beteiligt: Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe, Dresden; Universität Otago, Neuseeland; Universität St. Andrews, Großbritannien; Universität Wisconsin-Milwaukee und Technische Universität München. In Deutschland wurde die Arbeit finanziell unterstützt von der Max-Planck-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Kontakt

Prof. Dr. Elena Hassinger
Forschungsgruppe Physik unkonventioneller Metalle und Supraleiter
Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe
Nöthnitzer Straße 40
01187 Dresden
Tel.: +49 351 4646-3229
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