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ALICE untersucht Antimaterie

Erzeugung und Vernichtung von Anti-Deuteronen

2020-05-28 – Nachrichten aus dem Physik-Department

Im Rahmen der indirekten Suche nach Dunkler Materie halten Satelliten- und Ballonexperimente derzeit in der Nähe der Erde nach Antimaterie-Teilchen Ausschau. Die Antimaterie könnte ein Resultat der Zerstrahlung von Dunkler Materie sein. Eindeutig wäre dies aber nicht: Auch durch Wechselwirkungen hochenergetischer kosmischer Strahlen mit dem interstellaren Medium könnte Anti-Materie entstehen und zur Erde gelangen. Um die Produktionsmechanismen und die Vernichtung von Antimaterie besser zu verstehen, hat die ALICE-Kollaboration nun die Antimaterie-Ausbeute eines großen Datensatzes an Proton-Proton-Kollisionen untersucht und zum ersten Mal den Wirkungsquerschnitt von Antideuteron bei niedrigen Energien bestimmt.

Im inneren Gerüst des ALICE-Detektors
Im inneren Gerüst des ALICE-Detektors – Bild: Julien Ordan / CERN

Physiker gehen davon aus, dass die Dunkle Materie ungefähr 80% der Materiedichte und 25% der Energiedichte im Universum ausmacht. Obwohl es starke Hinweise auf das Vorhandensein von Dunkler Materie gibt, ist es bisher nicht gelungen sie zu detektieren. Weil sich der Nachweis so schwer gestaltet, wird mit vielen verschiedenen Methoden nach Dunkler Materie gefahndet: von der direkten Suche nach den so genannten schwach wechselwirkenden massiven Partikeln (WIMPS), einer Klasse von hypothetischen Teilchen, die derzeit als heißeste Kandidaten für die Dunkle Materie gelten, bis zur indirekten Suche, bei der mögliche Vernichtungs- oder Zerfallssignalen der Dunklen Materie aufgespürt werden sollen.

Antimaterieteilchen könnten als Produkte der Annihilation von Dunkler Materie interpretiert werden, aber da Antimaterie auch in hochenergetischen Wechselwirkungen der kosmischen Strahlung mit dem interstellaren Medium entstehen könnte, wären die Beweise nicht eindeutig. Einige theoretische Modelle sagen voraus, dass niederenergetische Anti-Deuteronen ein eindeutiger Hinweis auf Dunkle Materie sein könnten, da sie kaum in Wechselwirkungen der kosmischen Strahlung mit dem interstellaren Medium generiert werden. Verschiedene Satelliten- und Ballon-Experimente suchen daher derzeit nach Anti-Deuteron und Anti-Helium, bislang jedoch ohne eindeutigen Befund.

Niederenergetische Anti-Deuteronen als Sonde für die indirekte Suche nach dunkler Materie

Um eine zukünftige Beobachtung von Anti-Kernen in unserer Galaxie besser interpretieren zu können, muss die Antimaterie-Produktion und die -Vernichtung innerhalb des interstellaren Mediums besser verstanden werden, denn beides beeinflusst den zu erwartenden Antimaterie-Fluss in der Nähe der Erde.

Auf der Erde kann die Antimaterie-Produktion und die Wechselwirkung mit gewöhnlicher Materie mit dem Large Hadron Collider (LHC) als Antimaterie-Generator und dem ALICE-Experiment als Antimaterie-Detektor untersucht werden.

Analyse der Anti-Deuteron-Ausbeute bei p-p-Kollisionen

Anti-Kerne am LHC entstehen bei Kollisionen von Protonen (p-p) und Protonen mit schweren Nukleonen wie Blei (p-Pb) bei Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit. Bei Kollisionen von Protonen mit Blei-Kernen werden Anti-Deuteronen in großer Zahl erzeugt, bei Proton-Proton-Kollisionen sind die Raten jedoch geringer, so dass es dieser Produktionspfad bisher kaum untersucht wurde. Die ALICE Kollaboration hat nun erstmals eine umfassende Analyse dieses Produktionspfads anhand einer kürzlich gesammelten Stichprobe großer Datenmengen durchgeführt (https://arxiv.org/pdf/2003.03184.pdf). Dabei stellten sie innerhalb der Messgenauigkeit fest, dass die Anti-Deuteron-Ausbeute bei p-p-Kollisionen derjenigen von p-Pb ähnelt, was auf einen gemeinsamen Entstehungsmechanismus hindeutet. Die Ergebnisse schränken auch die bisher diskutierten Produktionsmodelle ein, was von großer Bedeutung für die Modellierung des Antimaterie-Flusses im Weltraum ist.

Erste Messung des inelastischen Anti-Deuteron-Wirkungsquerschnitts

Des Weiteren hat die ALICE Collaboration kürzlich erstmals den inelastischen Wirkungsquerschnitt von Anti-Deuteron bei niedrigen Energie bestimmt (https://arxiv.org/pdf/2005.11122.pdf), welche die Wahrscheinlichkeit der Anti-Deuteron-Annihilation bei Kollisionen mit Atomkernen quantifiziert. Zu diesem Zweck wurde die Anzahl der beobachteten Anti-Deuteronen mit der Anzahl der beobachteten Deuteronen verglichen, die im Detektormaterial nicht vernichten wurden. Der in dieser Messung beobachtete Impulsbereich ist von besonderer Bedeutung für die Interpretation von Dunkle Materie-Beobachtungen im Weltraum. Darüber hinaus verbessern die Messungen das Verständnis der Annihilationsprozesse von Antimaterie und Materie bei niedrigen Energien.

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