Diese Webseite wird nicht mehr aktualisiert.

Mit 1.10.2022 ist die Fakultät für Physik in der TUM School of Natural Sciences mit der Webseite https://www.nat.tum.de/ aufgegangen. Unter Umstellung der bisherigen Webauftritte finden Sie weitere Informationen.

de | en

Erster XXL-GEM-Detektor für ALICE

2015-05-07 – Nachrichten aus dem Physik-Department

Den größten jemals gebauten Detektor auf Basis der GEM-Technologie fertigten in den vergangenen Wochen Wissenschaftler um Prof. Dr. Laura Fabbietti vom Physik-Department der TU München (TUM). Im Rahmen eines sechswöchigen Workshops an der TUM und am CERN bauten 40 Physikerinnen und Physiker sowie Ingenieure und Techniker von elf Instituten den weltweit größten Prototypen dieser Detektortechnologie: den ersten Sektor der äußeren Auslesekammer – Outer Readout Chamber, kurz OROC – für die Zeitprojektionskammer am Experiment ALICE am CERN. Der Workshop unter dem Namen „School of ROC“ wurde von Dr. Piotr Gasik aus der Gruppe von Prof. Dr. Fabbietti initiiert, der auch den Bau der ROCs koordiniert. In den kommenden Monaten werden an den beteiligten Instituten weitere 35 solcher Detektorelemente gebaut und getestet. Diese sollen nach dem nächsten großen Upgrade am Large Hadron Collider (LHC) am Experiment ALICE zum Einsatz kommen und dort die bisher in der Zeitprojektionskammer verwendete Auslesetechnologie ersetzen.

ALICE: die größte Zeitprojektionskammer der Welt
Die weltweit größte Zeitprojektionskammer ist der wichtigste Bestandteil des Experiments ALICE am CERN; hier zu sehen sind die Sektoren einer der beiden äußeren Auslesekammern.

Die weltweit größte Zeitprojektionskammer (Time Projection Chamber, TPC) ist der wichtigste Bestandteil des Experiments ALICE am CERN, welches die Spuren und die Geschwindigkeiten schneller geladener Teilchen aufzeichnet. Diese Teilchen entstehen, wenn Blei-Ionen mit annähernder Lichtgeschwindigkeit aufeinander prallen. Nur bei den hierbei entstehenden extremen Temperaturen und Teilchendichten kann die starke Kernkraft überwunden werden, so dass die Protonen und Neutronen der Blei-Kerne kurzzeitig in ein Plasma aus „freien“ Quarks und Gluonen übergehen. Beim anschließenden Auseinanderstreben und Abkühlen entstehen einige tausend Teilchen, etwa Elektronen, Photonen oder Pionen.

größter GEM-Detektor: hergestellt bei der "School of ROC"
Erfolgreicher Workshop „School of ROC“ am Physik Department: Das erste Detektorsegment für die neue äußere Auslesekammer – Outer Readout-Chamber, kurz OROC – für das Experiment ALICE am CERN ist fertig; es ist der größte jemals gebaute Detektor auf Basis der GEM-Technologie.

Die bisherige MWPC-Auslesekammer (Multi Wire Proportional Chamber) der TPC wird jedoch den gestiegenen Anforderungen demnächst nicht mehr gewachsen sein: Ab dem Jahr 2019 werden am LHC Ionen-Strahlen produziert, deren Blei-Ionen-Pakete 50 000 Mal pro Sekunde (50 kHz) kollidieren. Diese Rate ist rund 100 Mal höher, als der bisherige MWPC-basierte Detektor auslesen kann. Um die Existenz des Quark-Gluon-Plasmas nachzuweisen, ist es jedoch entscheidend, alle entstandenen Teilchen charakterisieren zu können. Die erhöhte Luminosität kann daher nur durch eine deutliche Steigerung der Ausleserate der Zeitprojektionskammer voll ausgeschöpft werden. Die bisherige Auslesekammer soll daher durch einen Detektor auf GEM-Basis (Gas Electron Multiplier) ersetzt werden, der, anders als die bisherige Technologie, kontinuierlich Daten aufnehmen kann.

Zur Entwicklung eines einsatzfähigen GEM-Detektors führt die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Laura Fabbietti an der TUM daher ein umfangreiches Forschungs- und Entwicklungsprogramm an. Ein erster Meilenstein wurde nun im April 2015 erreicht: der Prototyp des größten Moduls der 36 Detektorelemente für den Einsatz am Experiment ALICE ist fertig. Mit einer aktiven GEM-Detektorfläche von 0,68 Quadratmetern ist dieser der größte jemals gebaute GEM-Detektor. Der Zusammenbau dieses Prototyps für die äußere Auslesekammer (Outer Read-out Chamber, OROC) fand im Rahmen des Workshops “School of ROC” vom 8. März bis 17. April 2015 in Zusammenarbeit mit dem Zentralen Technologie Labor (ZTL) unter der Leitung von Dr. Roman Gernhäuser (TUM) statt.

Photo
Gelungener Test: Das Signal auf dem Display des Oszilloskops zeigt an, dass der GEM-Detektor funktioniert und das Prüfsignal wie erwartet verstärkt.

40 Physiker, Ingenieure und Techniker von elf Instituten aus Deutschland, Schweiz, Rumänien, Ungarn, USA und Brasilien trafen sich am Physik Department der TUM und am CERN. Koordiniert von Dr. Piotr Gasik, Wissenschaftler in der Gruppe von Prof. Dr. Laura Fabbietti, testeten und rahmten die Teilnehmer zwölf GEM-Folien für die äußere Auslesekammer. Diese Folien wurden anschließend am CERN in jeweils vier Lagen zu einem dreifach segmentierten Prototyp einer äußeren Auslesekammer montiert. Erste Tests verliefen erfolgreich.

Insgesamt beträgt die benötigte Auslesefläche 34 Quadratmeter, wofür insgesamt 137 Quadratmeter GEM-Folie verarbeitet werden müssen, in die insgesamt knapp 4 Milliarden Löcher von Mikrometer-Größe eingeätzt sein werden. Mit den im Rahmen des Workshops erworbenen Kenntnissen wollen die Teilnehmer im kommenden Jahr die weiteren 35 benötigten Detektor-Segmente herstellen und testen. Der neue GEM-Detektor soll dann nach dem LHC-Upgrade im Jahr 2019 die alte Technik ersetzen.

Redaktion
Petra Riedel Dr. Johannes Wiedersich

Kontakt

Prof. Dr. Laura Fabbietti
Physik-Department and Exzellenzcluster Universe
Technische Universität München
Boltzmannstr. 2
85748 Garching
Tel.: +49 89 35831-7118
Nach oben