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IceCube bestätigt die astrophysikalische Natur der Hochenergie-Neutrinos

2015-09-09 – Nachrichten aus dem Physik-Department

Das Südpol-Observatorium IceCube berichtet von der Beobachtung weiterer Neutrinos aus den Tiefen des Weltalls. Die nun in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlichte Untersuchung bestätigt damit, dass die hoch energiereichen Neutrinos, deren Beobachtung durch IceCube vor zwei Jahren in Science publiziert wurde, ihren Ursprung tatsächlich außerhalb unseres Sonnensystems haben. An den Ergebnissen der internationalen IceCube-Kollaboration ist die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Elisa Resconi vom Physik-Department und dem Exzellenzcluster Universe der Technischen Universität München beteiligt.

Ansicht des IceCube-Labors in der Antarktis mit Neutrino-Analyse
Das Bild zeigt eines der hochenergetischen Neutrinos der Analyse, das einer Ansicht des IceCube Labors am Südpol überblendet ist. Bild: IceCube Collaboration

Neutrinos sind Elementarteilchen, die sich von Materie fast ungehindert durch das Universum bewegen. Ihre Detektor-Spuren weisen daher direkt auf ihre Ursprünge. Wissenschaftler gehen davon aus, dass extrem hochenergetische Neutrinos aus Quellen mit extremen Eigenschaften stammen: kosmische Beschleuniger, wie etwa gewaltige Sternexplosionen oder riesige schwarze Löcher, bringen Neutrinos auf mehr als eine Million Mal höhere Energien, als es die von Menschen erschaffenen Teilchenbeschleuniger wie etwa der Large Hadron Collider am CERN vermag.

Neutrinos können nicht direkt beobachtet werden. IceCube misst daher die Teilchen, die bei einer Wechselwirkung von Neutrinos mit Eis entstehen. Der würfelförmige Detektor mit einer Kantenlänge von einem Kilometer zeichnet pro Jahr hunderttausend Neutrinos auf, von denen die meisten in der Erdatmosphäre durch die Wechselwirkung mit kosmischer Strahlung erzeugt werden. Milliarden von so genannten atmosphärischen Myonen hinterlassen ebenfalls ihre Spuren in IceCube. In all diesen Spuren suchen die Forscher nach einigen Dutzend astrophysikalischen Neutrinos, die unser gegenwärtiges Verständnis des Universums erweitern können.

Die nun veröffentlichte Untersuchung beruht auf einer bewährten Strategie für Neutrino-Teleskope: Sie benutzt die Erde als Filter für den unerwünschten großen Hintergrund an atmosphärischen Myonen. Mehr als 35.000 Neutrinos wurden zwischen Mai 2010 und Mai 2012 in den Messdaten gefunden. Bei höchsten Energien oberhalb von 100 TeV kann die Neutrino-Rate nicht mehr ausschließlich mit einem atmosphärischen Ursprung erklärt werden, sondern weist auf eine kosmische Herkunft hin. Die nun vorgestellte Analyse deutet darauf hin, dass mehr als die Hälfte der 21 Neutrinos über 100 TeV ihren Ursprung außerhalb unseres Sonnensystems haben.

Diese unabhängige Beobachtung ist in guter Übereinstimmung mit früheren IceCube-Ergebnissen und bestätigt die hohe Rate astrophysikalischer Neutrinos. Obwohl die Wissenschaftler diese Neutrinos immer noch an wenigen Händen abzählen können, sind die IceCube-Ergebnisse nahe der Maximalraten, die von potentiellen kosmischen Strahlenquellen zu erwarten sind. Die Intensität dieses Flusses zeigt, dass kosmische Strahlen auch ergiebige Neutrino-Quellen sind. Die winzigen Elementarteilchen eignen sich daher perfekt als Medium zur Beobachtung des extremen Universums.

Die beobachteten hochenergetischen Neutrinos sind eine neue Stichprobe und unabhängig von den ersten Ergebnissen au dem Jahr 2013, die sich überwiegend auf den südlichen Himmel bezogen. Die aktuelle Suche spezialisierte sich auf Myon-Neutrinos. Diese Neutrinos erzeugen bei der Wechselwirkung mit Eis ein Myon. Durch ihre charakteristische Signatur sind sie im IceCube-Detektor leicht zu identifizieren. Zwar erwarten die Forscher für atmosphärische Myonen die gleiche Signatur; weil sie ihre Suche jedoch auf die Nordhalbkugel beschränkten, konnten sie sicher sein, dass ein erfasstes Myon nur durch eine Wechselwirkung mit Neutrinos entstanden sein kann.

Mit Hilfe dieser Neutrino-induzierten Spuren kann man die Herkunftsrichtung der Neutrinos bis auf wenige Grad genau ermitteln. Allerdings konnte noch keine Neutrino-Häufung beobachtet werden, die auf eine bestimmte astrophysikalische Quelle hindeutet. Der von der nördlichen Hemisphäre von IceCube gemessene Neutrinofluss hat die gleiche Intensität wie der von der südlichen Hemisphäre. Dies deutet auf die Existenz zahlreicher extragalaktischen Quellen, weil Quellen in der Milchstraße den Neutrinofluss von rund um die galaktische Ebene dominieren würden.

IceCube besteht aus insgesamt 5160 lichtempfindlichen Nachweisgeräten, sogenannten Digitalen Optischen Modulen, die an 86 Stahltrossen in bis zu 2,5 Kilometern Tiefe ins Eis eingeschmolzen sind und einen ganzen Kubikkilometer antarktisches Eis ausspähen. Sie vermessen die schwachen Lichtblitze, die eine äußerst seltene Kollision von Neutrinos mit dem antarktischen Eis erzeugt.

Das Experiment wird von der internationalen IceCube Collaboration mit Hauptsitz am Wisconsin IceCube Particle Astrophysics Center (WIPAC) an der Universität Wisconsin–Madison (UW-Madison) geleitet. Das internationale IceCube-Konsortium umfasst 300 Physiker und Ingenieure aus den USA, Deutschland, Schweden, Belgien, Schweiz, Japan, Kanada, Neuseeland, Australien, Großbritannien, Korea und Dänemark.

Veröffentlichung

Evidence for Astrophysical Muon Neutrinos from the Northern Sky with IceCube
M.G. Aartsen et al. (IceCube Collaboration)

Kontakt

Prof. Dr. Elisa Resconi
Technische Universität München
Boltzmannstr. 2
85748 Garching
Tel.: +49 89 35831 7120
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