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Holografie mit dem WLAN-Router

Analyse von WLAN-Daten liefert dreidimensionale Bilder der Umgebung

2017-05-04 – News from the Physics Department

Wissenschaftler am Physik-Department und am Walter-Schottky-Institut der TUM haben ein holografisches Abbildungsverfahren entwickelt, das die Strahlung eines WLAN-Senders abbildet und damit dreidimensionale Bilder der Umgebung erzeugt. Einsetzbar wäre das Verfahren beispielsweise im Konzept Industrie 4.0: Betreiber von Industrieanlagen könnten damit in Zukunft automatisiert Objekte auf dem Weg durch die Werkshalle verfolgen.

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Das im realen Bild sichtbare Kreuz aus Alufolie lässt sich aus dem WLAN-Hologramm wieder rekonstruieren (eingeblendetes Bild rechts unten) – Bild: Friedemann Reinhard/Philipp Holl / TUM

Wie der Blick durch ein Fenster, liefert ein Hologramm ein dreidimensional erscheinendes Abbild. Während für das optische Hologramm aufwändige Lasertechnik benötigt wird, lässt sich ein Hologramm der Mikrowellenstrahlung eines WLAN-Senders mit einer feststehenden und einer beweglichen Antenne erzeugen, wie Dr. Friedemann Reinhard und Philipp Holl in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachjournals Physical Review Letters berichten.

„Mit dieser Technik können wir ein dreidimensionales Bild des Raums erzeugen, in dem sich der WLAN-Sender befindet, so als hätten wir Augen für Mikrowellenstrahlung,“ sagt Friedemann Reinhard, Leiter der Emmy Noether Forschungsgruppe für Quantensensoren am Walter Schottky Institut der TU München. Einsatzmöglichkeiten sehen die Forscher vor allem im Bereich automatisierter Industrieanlagen, wo es oftmals schwierig ist, Teile oder Geräte zu lokalisieren.

WLAN durchdringt Wände

Verfahren, bei denen Mikrowellenstrahlung sogar durch Wände hindurch geortet wird, oder bei denen die Veränderung des Signals die Anwesenheit einer Person anzeigt, gibt es bereits. Neu ist, dass die holografische Aufbereitung der WLAN- oder Handysignale ein Abbild des gesamten Raumes liefert.

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Aufbau des Laborexperiments zur WLAN-Holografie – Image: Friedemann Reinhard/Philipp Holl / TUM

„Natürlich liegt es da nahe, sich Sorgen um seine Privatsphäre zu machen, denn selbst verschlüsselte Signale übertragen gewissermaßen ein Bild der Umgebung nach außen,“ sagt Projektleiter Friedemann Reinhard, schränkt aber auch ein „Dass sich das Verfahren in naher Zukunft für Spionage eignet, ist aber eher unwahrscheinlich. Man müsste dazu eine große Antenne um das Gebäude herumfahren, was kaum unbemerkt bleiben dürfte.“

Auf wenige Zentimeter genau

Bisher sind für das Erzeugen von Bildern aus Mikrowellenstrahlung spezielle Sender mit großer Bandbreite erforderlich. Die holografische Auswertung der Daten ermöglichte es den Forschern, auch mit der sehr geringen Bandbreite haushaltsüblicher WLAN-Sender auszukommen, die in den Frequenzbändern 2,4 und 5 Gigahertz senden. Auch Bluetooth- und Handy-Signale können genutzt werden. Die Wellenlänge dieser Geräte entspricht einer Auflösung im Bereich weniger Zentimeter.

„Statt einer beweglichen Antenne, die Bildpunkt für Bildpunkt misst, könnte man auch eine größere Zahl von Antennen nehmen und damit eine videoähnliche Bildfrequenz erreichen,“ sagt Philipp Holl, der die Versuche durchführte. „Zukünftige WLAN-Frequenzen, wie der geplante IEEE 802.11-Standard mit 60 Gigahertz, erschließen eine Auflösung bis in den Millimeterbereich.“

Blick in die Zukunft

Auch aus der Optik bekannte Methoden zur Bildverbesserung können bei der WLAN-Holografie eingesetzt werden: Ein Beispiel ist die aus der Mikroskopie bekannte Dunkelfeld-Methode, die es ermöglicht, schwach streuende Strukturen besser erkennen zu können. Ein weiteres Verfahren ist die Weißlicht-Holografie: Hier nutzten die Forscher die Bandbreite des WLAN-Senders, um Störungen durch Streustrahlung zu eliminieren.

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Simulation of a warehouse: from the “light” of the WLAN router in the basement, the three-dimensional image (right) can be reconstruced . – Image: Friedemann Reinhard/Philipp Holl / TUM

Das Konzept, Mikrowellen-Hologramme wie optische Bilder zu betrachten, ermöglicht es auch, das Mikrowellenbild mit Kamerabildern zu kombinieren. In das Kamerabild des Handys könnten so aus Mikrowellenbildern gewonnene Zusatzinformationen eingeblendet werden, etwa um Funk-Schlüsselanhänger an verlorenen Gegenstände direkt zu sehen.

Doch mit ihrer Arbeit stehen die Wissenschaftler erst am Anfang der technologischen Entwicklung. Noch fehlt vor allem Forschung dazu, wie transparent welche Materialien sind. Mit diesen Kenntnissen ließen sich dann zum Schutz der Privatsphäre für Mikrowellen undurchsichtige Anstriche oder Tapeten entwickeln, während man für Fabrikhallen, in denen man den Weg eines Bauteils durch die Anlage verfolgen will, transparente Materialien einsetzen würde.

Entsprechend weiter entwickelte Technik könnte, so hoffen die Forscher, in Zukunft bei der Suche nach Verschütteten unter einer Lawine oder in einem eingestürzten Haus helfen: Während bisherige Methoden nur die Ortung erlauben, lieferte die holografische Auswertung der Signale auch ein räumliches Abbild der zerstörten Strukturen. Schwere Trümmerstücke könnten Helfer dann umgehen oder verbliebene Hohlräume für die Rettung nutzen und so planvoll den leichtesten Weg zum Opfer finden.

Die Arbeit wurde unterstützt aus Mitteln des Emmy Noether-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und aus dem TUM Junior Fellow Fund.

Redaktion
Dr. Andreas Battenberg, Dr. Johannes Wiedersich

Veröffentlichung

Holography of Wi-fi Radiation
Philipp M. Holl and Friedemann Reinhard

Kontakt

Dr. Friedemann Reinhard
Physik-Department und Walter-Schottky-Institut
Technische Universität München
Am Coulombwall 4
85748 Garching
Tel.: +49 89 289-12777
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